Kamerad Carl,
Boris ist ein faszinierendes Geschichtenbuch über das Leben im KZ. Er verbrachte seine Jugend als Gefangener der Nazis. Er war so jung und unschuldig und wurde genommen, um die Räume der Aufseher zu wischen und schaffte es konsequent, das Leben seines Vaters mit einer simplen Ausradierung zu retten. Ein aufgeklärter italienischer Sozialistenführer erzählte ihnen, wie man im Lager überlebt, ohne Kapo zu sein. Er hat hunderte von unglaublichen Geschichten zu erzählen in der einfachsten Sprache; aber stattdessen mag er poetischen Schmalz. Aber es ist schwer, poetisch zu sein, wenn du keine Muttersprache hast. Seine Muttersprache war Russisch und als Kind lernte er Lettisch; aber er lernte an einer deutsch orientierten Sprachschule in Riga. Seine fliessende Sprache ist Englisch und er kann wunderbare Erzählungen weben, wenn er versucht, sie nicht zu poetisch wiederzugeben. Sein englisches Vokabular ist superb und sehr ausdrucksstark. Er kann dir unglaubliche Geschichten erzählen über sein Leben, seine Flucht, die Rote Armee, die amerikanische Armee ... etc.etc. ... unglaublich. Es wäre schade, seine Erinnerungen zu verlieren an diese unglaublichen Jahre. Seine Suche nach seiner Mutter und seinen Schwestern erinnert ein wenig an kafkaeske Literatur. Sein Vater war ein Mann von ungewöhnlichen Fähigkeiten und Überlebenstalenten; in ein paar Jahren wurde er von einer KZ-Vogelscheuche zu einem weltgewandten New Yorker Grundstücksmakler. Ungeachtet dessen ermutigte er seinen Sohn, Kunststudien nachzugehen. Mit einem Wort: Boris ist der „Jedermann“ des 20. Jahrhunderts und sein Vater war Faust.
Mail vom 11. Mai 1999, Übersetzung: Nicole Becker, Berlin
Publiziert in: NO!art-Archiv, Berlin 1999