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Elmer L. Kline:
Künstler sind Dreck (1972)

Einige Jahrhunderte später treffen sich an einem Spätnachmittag die NO!Künstler im Künstlerquartier der Hölle und machen in den Keller-Ausstellungsräumen ein fürchterliches Durcheinander.

Larry: Warum seid ihr NO!Künstler so geschäftig? — Vierhundert Jahre sind vergangen und ihr habt immer noch kein Stück verkauft!

Stan: Wart ab, eines Tages kommt irgend so ein Huhn reingelaufen und kauft den ganzen Laden.

Boris: Zuguterletzt wird sich alles verkaufen lassen, sogar große Kunst .. . sieh mal her, was ich hab ... ist das nicht weibliche Vollkommenheit?

[Er nimmt dabei aus seiner Mappe eine Collage mit Teilen von Mae West, Raquel Welch, Sally Rand, Margaret Truman, alles miteinander vermischt, kombiniert mit Peitschen, Sporen, Pelzen und Bananenpimmels]

Stan: Nicht schlecht zum Bumsen!

Sam: Oder für Boris zum Draufscheißen.

Larry: Zu meiner Zeit waren die Künstler noch alle Gentlemen ... Ich erinnere mich noch an Sargent.

Bert (Kritikertouristenführer tritt mit mehreren Touristen auf): Hier, meine Damen und Herren, sehen sie die Vertreter des amerikanischen Kunstabschaums, drei NO!Künstler, und den Primitivsten von der Welt, Larry!

Boris (sich verbeugend): Entzückend!

Sam: Ich bin billig aber gut!

Stan: Will jemand bumsen? Hab 'nen anpassungsfähigen Schwanz: Wollt ihr ihn sehn?

Bert: Du, Boris, erzähl den Damen warum Du sauer bist.

Boris (steigt auf einen Stuhl und erklärt): Ich sprach die Wahrheit, die unangenehme, ungeschminkte Wahrheit, vor eurer Zeit, niemand wollte sie hören.

Sam (steigt auf einen Stuhl): Wir waren die Revolution vor der Revolution ... unser Publikum lag noch im Kinderwagen oder war schon in Spanien gefallen.

Stan: Ich fickte mit meinem Pinsel und malte mit meinem Schwanz, Zehntausend erfolgreiche Orgasmen! Produktiver als jeder andere Künstler!

Gertrude (eine Touristin und ehemalige Kunsthändlerin zu Stan gewendet): Warum hast Du mich nicht gemocht? Ich hab dich immer für 'ne Tunte gehalten.

Stan: Ich war nicht geil auf dich.

Sam: Du willst sagen, sie wollte nicht dafür zahlen. Meine Damen, Stan ist eine männliche Nutte.

Fräulein Unschuld (eine Touristin): Was hat all das Gerede mit Kunst zu tun, mit echter Kunst?

Bert: Fräulein Unschuld, als diese Kreaturen ihre Blütezeit hatten, hieß es, gewusst, wen zu kennen und wen aufzureißen.

Fräulein Unschuld: Das kann ich nicht glauben!

[Karl tritt auf, eilig, ein blondgelockter unschuldiger Faun, in der Hand eine Tube Leim]

Bert: Wie geht's?

Karl: Gut, wie immer. Willst du meine letzte Kritik aus'm "Teufelsadvokat" lesen? Tag, ihr Kriecher, seid ihr immer noch am kämpfen?

Bert: Erzähl den Damen, wie du zu solchen Berichten kommst!

Karl: Ohne Schweiß. Die Kritiken hängen an meinem Schwanz! Oh, verdammt (schmeißt den Leim weg).

Bert: Was stimmt denn nicht mit dem Leim?

Karl: Der Kritiker von der "Zeit-Flamme" mag lieber Gelee.

Fräulein Unschuld: Aber taugt dieser junge Mann denn wirklich was als Künstler?

Boris (steigt auf einen Stuhl und erklärt): Wir haben widerliche Dinge abgebildet anstatt sie selbst zu machen ... jetzt ... jetzt erst ... fange ich an, die Schmutzigkeit des amerikanischen Lebens zu verstehen.

Sam: Wollen die Damen uns entschuldigen? Boris und ich müssen scheißen. (Er lässt schon seine Hosen runter)

Boris: Es tut mir schrecklich leid meine Damen, aber ich scheiße nur sonntags.

Bert: Darauf haben wir gewartet, meine Damen, die NO!Künstler in Aktion. Echte Aktion!

Gertrude (zu Boris): Was kostet das? (sie zeigt auf eine Scheißarbeit von Boris)

Boris: Neunhundert Goldrubel.

Gertrude: Es hat Schwung, Klasse ... ein bisschen schleimig ... etwas grün am Rande ... aber ich nehm' es. Schicken sie es mir zu? (sie winkt Sam herbei) Darf ich ihren Füller benutzen? (Stan nimmt seinen Schwanz raus und Gertrude beginnt damit den Scheck zu unterschreiben)

Boris: Ich hab gesagt, ich will Goldrubel! Keine Dollars!

Gertrude: Wo soll ich denn in der Hölle Goldrubel hernehmen?

[Alle bilden einen Kreis um Sam, der einen großen Haufen Goldrubel aus seinem Arsch fallen lässt.]

Fräulein Unschuld: Das muss ich meiner Mutter schreiben.

Gertrude (zu Sam): Sie wären nie hier unten gelandet, wenn sie das oben zustandegebracht hätten. Es ist genau so, wie wenn man einen Cezanne besäße.

Bert: Oder einen Van Gogh.

Fräulein Unschuld: Oder wenigstens die berühmtesten Pop-Künstler (sie hebt einen Goldrubel auf und reicht ihn Larry, der das Stück verächtlich zur Seite schiebt)

Larry: Hier ist ein Künstler, der nie ausverkauft sein wird.

Stan: Niemand hat ihm bisher ein Angebot gemacht!

Gertrude: Können sie uns nicht was anderes zeigen, Bert?

Bert: Wenn sie europäische Kunst mögen? Da gibt's eine Sensation. Auf der Avenue X. Ein Österreicher. Phantastische Minimal-Kunst in braun!

Larry: Ich male braune Kühe.

Gertrude: Ich habe lieber rote Kühe!

Bert: Aufgepasst, meine Damen, also dieser Österreicher, Schickelgruber heißt er, ist als Künstler nicht recht weitergekommen, aber hier unten ...

[Gertrude, Fräulein Unschuld und Bert verschwinden]

Boris: Scheißkerl, beinah hätt' ich was verkauft.

Stan: Ich hätt' beinah Fräulein Unschuld angemacht.

Sam: Gut, ich fühl mich jetzt richtig erleichtert.

Larry: Hahaha, und ich hab Karls Leim! (beginnt an Karls Leim zu riechen)

Boris: Wie riecht das, Alter?

Larry: Nicht so gut wie Whiskey, aber er gibt mir das Gefühl wieder jung zu sein (springt ekstatisch auf und fällt dann tot um

[Boris bläst in seine Trillerpfeife, um einen Bullen herbeizurufen. Es kommt die Dicke Luise, sie ist von der Kripo und Stripperin zugleich, mit Bommeln an den Brüsten, dunkler Brille, perlenbesticktem Slip, Pistolenhalfter und Kripomarke auf der rechten Arschbacke]

Dicke Luise: Wo brennt's denn hier Jungs. Ihr verdammten Künstler, ihr macht mir mehr Schwierigkeiten als die Rockmusiker!

Boris: Larry ist schon wieder gestorben.

Dicke Luise: Macht keine Witze mit mir. Gib's zu, du hast ihn umgebracht! Du warst auch der, der mich in sein Atelier holen wollte, um auf mir abzuspritzen. Gib's zu!

Boris: Ich gebe überhaupt nichts zu. Ich bin wahnsinnig verliebt in dich. Lass uns das jetzt gleich machen, jetzt gleich, der steht bei mir ... jetzt! ?

Dicke Luise: Du willst, dass ich, ich Luise Krakovic aus Sachsen-Zuhalt, alias dicke Luise Krahovic-Keks, göttliche Jauchenjungfrau aus Ekelstadt — in Wirklichkeit von der Schmiere —, dass ich mich für dich in Sam seiner Scheiße wälze, mich mit dem braunen Zeug besudele, damit du mich in dem ekelhaften Zustand fotografieren kannst! Mit mir nicht! Ich will nicht, dass zehntausend geile Böcke zehntausendmal mit dem Foto von meiner stinkenden braunen Schönheit onanieren!

Sam: Boris wichst vielleicht vor so was, aber mich reizt das nicht.

Stan: Und ich ficke! Bei mir gib's keine Handarbeit.

Boris: Würdest du es bitte machen Luise, bitte!

Dicke Luise: Schlag mich erst, schlagt mich, bis ich pisse!

[Sam und Stan fesseln sie. Boris holt aus einem Kessel riesige Strähnen Spaghetti und schlägt sie damit. Sie versucht, mit den Zähnen davon etwas zu erwischen.
Das Schlag-Essen wird unterbrochen durch den Auftritt des Oberteufels.
]

Oberteufel: Dicke Luise, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass es verboten ist, von armen Künstlern Schmiergelder anzunehmen?! Kotz die Spaghetti jetzt wieder aus und kämme dir die Marinadensoße aus deiner Möse!

Dicke Luise: Werden sie mich nicht anzeigen, Chef?

Oberteufel: Pass mal auf! (Er steckt seinen Finger in ihre Möse, riecht daran und wischt ihn an ihrer Brust ab) Hör endlich auf damit, dich jeden Monat zu waschen. Du bist in der Hölle und nicht in East Village! (Der Oberteufel spricht ins Telefon) Schlaganfall in der Künstlerstraße. Schickt eine Braun-Kreuz-Ambulanz mit mehreren Kritikern!

Boris: Braun-Kreuz-Ambulanz?

Oberteufel: Künstler sind Dreck!

Sam, Boris und Stan (auf Stühle steigend, gleichzeitig): Auch NO! Künstler?!

Publiziert in: Lurie, Boris; Krim, Seymour: NO!art, Köln 1988

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About ELMER L. KLINE: Screenwriter of the Hilary's Blues (1983) and actor as Doc Fallon in the film Hammet (1982) produced by Wim Wenders.

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